
Bekanntlich hatten die „großen“ europäischen Diktatoren des 20. Jahrhunderts alle Doppelgänger. Diese wurden eingesetzt, wenn es Hinweise auf Attentatsplanungen gab oder wenn eher „langweilige“ Veranstaltungen abgearbeitet werden mussten, auf denen keine Reden zu halten waren.
Kurioserweise finden sich jedoch kaum Hinweise auf entsprechende Personen, wenn es um Adolf Hitler geht. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass es seit Jahrzehnten Spekulationen über die Flucht des Diktators gibt – etwa laut Zeugenaussagen, die von Sowjets und Amerikanern gesammelt wurden, über die Route Berlin-Hamburg, von dort in ein U-Boot und mit diesem nach Argentinien oder Südamerika.
Im Buch Hitlers Ende von Anton Joachimsthaler finden sich zumindest Hinweise dazu, wenn auch im Kapitel „Legenden, Lügen, Halbwahrheiten“.
Auf Seite 21 sieht man das Bild eines toten „Hitler-Darstellers“, umringt von Sowjetsoldaten. Als Quelle wird ein Beitrag des russischen Fernsehens vom 15. September 1992 genannt, in dem geschildert wurde, dass Hitler zwei Doppelgänger hatte, die tot im Führerbunker gefunden wurden.
Im Juli 1947 erschien in den USA das Buch Who Killed Hitler?, redigiert von Herbert Moore und James W. Barret. Die Autoren berufen sich auf die Zeugenaussage des ehemaligen Chief Intelligence Officer der US Army, Oberst W. F. Heimlich.
Im Kapitel „The Double in the Fuehrer’s Kitchen“ wird von einem Doppelgänger berichtet, der von allen anderen Personen separiert „gehalten“ wurde. Die Idee, ein Double einzusetzen, stammte ursprünglich von Heinrich Himmler, so Heimlich (S. 26).
Joachimsthaler stellt alle Aussagen in Frage, ohne dies weiter zu begründen. Interessant ist ein Hinweis aus einem sowjetischen Untersuchungsbericht von 1945/46, der vom Chef des stalinistischen Geheimdienstes, Lawrentij Berija, initiiert wurde.
Dieser ließ die Überlebenden des „Bunkers“, die von der Roten Armee gefasst worden waren, nach Moskau bringen und befragen. Zitat:
„Gewisse Zeugen haben jetzt gestanden, dass sie Hitler einen Eid schwuren, falls sie in Feindeshand fielen, anzugeben, sie hätten gesehen, wie die Leichen von Hitler und Eva Braun auf einem Scheiterhaufen im Garten des Reichskanzlerpalastes in Flammen aufgingen“ (S. 25).
Auch diesen Report zweifelt der Autor an, ohne zu begründen, warum, während er gleichzeitig den „Zeugen“ der angeblichen „Feuerbestattung“ glaubt. Der US-Informant Heimlich taucht erneut auf:
„Am 25. Mai 1952 erklärte der frühere Chef des amerikanischen Geheimdienstes […], dass es keinen Beweis – abgesehen von Gerüchten – für Hitlers Tod gäbe. Diese Feststellung wurde im Mai 1952 durch Oberst William F. Heimlich in der letzten Ausgabe der amerikanischen Zeitschrift ‚Police Gazette‘ getroffen“ (S. 32).
Offenbar waren die Überlebenden des Bunkers unter der sowjetischen „Sonderbehandlung“ redseliger als später in den deutschen Medien, wo sie die unter Eid geschworene Geschichte wiederholten.
Man kann spekulieren, dass es eine geplante Absetzbewegung aus Berlin gab. Der einzige „Beweis“ für Hitlers Leiche – ein vermeintliches Schädelstück, das sich als von einer Frau stammend herausstellte – ist ein Zahn- oder Kieferfragment, das mit (angeblichen) Röntgenaufnahmen von Hitlers Gebiss übereinstimmte.
War die Flucht jedoch geplant, könnte ein solcher „Beweis“ fingiert worden sein, denn auch im Dritten Reich war bekannt, wie Leichen identifiziert werden können.
Nach Abschluss des Buches fällt auf, dass die Unstimmigkeiten rund um den „Selbstmord“ von Adolf Hitler und Eva Braun so zahlreich sind, dass sie den Rahmen eines Artikels sprengen würden.
Joachimsthalers Werk, das über 500 Seiten umfasst, widmet sich diesen Widersprüchen ausführlich. Der Stil des Autors ist jedoch problematisch:
Er glaubt vor allem den Zeugen, die er selbst befragt hat, und stuft andere Aussagen oft als „Lügen“ ein, ohne dies stets zu begründen. Dennoch sind die Schilderungen faszinierend, da praktisch jeder Zeuge etwas anderes berichtet.
Schon bei den Grundlagen gibt es Uneinigkeit: Hat sich Hitler erschossen oder Blausäure genommen? Unter den Zeugen gibt es zwei unterschiedliche Fraktionen.
Auch die „Lage“ und „Verteilung“ der Leichen in Hitlers „Wohnzimmer“ bleibt unklar, und es gibt Streit darüber, wer die Leichen zur Verbrennung aus dem Bunker getragen hat. Die letzten Stunden des „Führers“ sind von Verwirrung geprägt.
Joachimsthaler wirft den Sowjets vor, den „Selbstmord“ Hitlers stets infrage gestellt zu haben, doch bleibt die Tatsache, dass Hitlers Leiche – abgesehen von dem fragwürdigen Kieferfragment – nicht gefunden wurde. Die Zeugenaussagen variieren so stark, dass sie kaum glaubwürdig erscheinen.
Hinzu kommt, dass auch Eva Brauns Leiche spurlos verschwand, ebenso wie Hitlers Diätköchin, die keinen Selbstmord begangen hat.
Die „Psychologie“ des Vorgangs scheint Joachimsthaler nicht zu interessieren. Stalin gab zu, dass sein „Erzfeind“ verschwunden war, womit er sich selbst den größten Triumph nahm und gleichzeitig die westlichen Alliierten beschuldigte, Hitler zu verstecken oder seine Flucht ermöglicht zu haben – für einen absolutistischen Diktator ein bemerkenswertes Eingeständnis.
Wer argumentieren möchte, dass Hitler und Braun den Zweiten Weltkrieg überlebt haben, findet im Buch reichlich Anhaltspunkte.
Selten steht ein historischer „Fakt“ auf derart wackeligen Beinen. Ergänzend sei die Aussage von Hitlers Flugzeugführer Hans Baur (SS-Gruppenführer und Generalleutnant der Polizei) erwähnt, der andeutete, dass in Rechlin, unweit von Berlin, Flugzeuge mit einer Reichweite von 11.000 Kilometern bereitstanden, mit denen man Argentinien oder Japan hätte erreichen können.
Wer orderte diese Flugzeuge, zu welchem Zweck, und wer nutzte sie letztlich? Es erscheint wenig plausibel, dass jemand den Tod im Bunker einem komfortablen Leben in Südamerika vorzieht, insbesondere nach einer kürzlichen Hochzeit mit einer jungen Frau an seiner Seite!ʬ