
1837: Missing 411 in der Schweiz?
Kanton Uri, Gemeinde Silenen, bei Stüg: Am 26.08.1837 verschwand der damals 2- oder 3-jährige Johann Joseph beim Erdbeeren-Sammeln und wurde erst drei Tage später von zwei Kindern entdeckt.
Die Kleidung („Röckchen“) war aufgeknöpft und stellenweise zerrissen, Kappe und Schuhe fehlten, und die Strümpfe waren an den Füßen aufgerissen, die Füße jedoch unversehrt, wie der restliche Körper.
Der Junge fühlte sich schwach und klagte über Schmerzen unter der Brust. Er gab an, von einem schwarzen Mann verschleppt und durch den Wald getragen worden zu sein. Er sei auch „im Himmel“ gewesen.
Dort habe sich eine weiße Brücke befunden, weiße Häuser, und die Menschen hätten musiziert und getanzt, er hätte sich daran beteiligt. Zwei weiße Pferde habe er dort auch gesehen.
Interessant ist der Hinweis, dass er seine suchende Mutter „ganz neben sich schreien und weinen“ gesehen habe, und eine andere Person sei an dem Platz vorbeigegangen, an dem er sich befand, ohne ihn zu sehen. Auch von dem Regen der vergangenen zwei Tage habe er nichts mitbekommen.
Dank an Arek für den Hinweis!ʬ
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/magikon1840/0385?sid=d2f47d8b8b4dc6de30b114b9c516cc03
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Spurlos im Spessart
Auf die Arbeit von David Paulides bin ich hier bereits öfter eingegangen! Es geht dabei um das spurlose Verschwinden von Personen in US-Nationalparks.
Die Wanderer verschwinden wahlweise für immer oder tauchen wieder auf, jedoch in der Regel, ohne sich daran zu erinnern, was mit ihnen in der Zeit der „Abwesenheit“ geschehen ist.
Eine weitere „Zielgruppe“ sind Beerensammler. Paulides fand einen historischen Fall bzw. entsprechende Hinweise auf die Vergangenheit in einer Quelle aus Neufundland [„being in the fairies“], was recht gut belegt, dass wir es hier mit einem alten Phänomen zu tun haben.
In den Spessart-Sagen von Valentin Pfeiffer [Pattloch Verlag], wird auf Seite 103 eine Sage gereicht, die dem Muster der „Missing 411“-Fälle überaus deutlich entspricht:
„Eine Ebersbacher Frau sammelte auf dem ‚Schloßberg’ Heidelbeeren und hatte auch ihr Kind mitgenommen. […] Die Mutter […] geriet beim Pflücken immer weiter von ihrem Kinde ab und dachte vor lauter Eifer nicht eher wieder an das Kleine, bis sie den Korb voll Beeren hatte. Dann lief sie hin und wollte es holen; aber […] das Kind war nimmer da! […]
Das Kind blieb verschwunden, als ob es der Erdboden verschluckt hätte. […] Im nächsten Sommer begab sich die Frau wieder auf den Schlossberg, um Beeren zu pflücken. […] …hörte sie plötzlich […] die Stimme ihres Kindes!
Die Frau eilte schier atemlos an die Stelle, woher der Ruf erklang, und siehe, dort stand das Kind, unversehrt und lächelnd, wie wenn gar nichts geschehen wäre […] die Mutter […] ergriff […] ihr Kind und lief mit ihm […] ins Dorf […].
Zu Hause fragte sie das Kind, wo es die ganze Zeit gewesen und wie es ihm ergangen wäre. Allein es antwortete nichts darauf. Und so sehr man es auch weiterhin mit Fragen bestürmte, das Kind gab keine Auskunft und wusste überhaupt nicht, dass es ein langes Jahr von daheim fort war.“ ʬ
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Kommentar:
Hallo Wladislaw, im Folgenden zwei Sagen aus dem Buch Sagen rings um den Valtenberg und den Hohwald (Oberlausitzer Verlag), welche ein ähnliches Schema aufweisen wie die von Dir erwähnte Spessartsage.
Beste Grüße:
Micha
Die Goldgrotte auf dem Valtenberge
Es war Karfreitag, [...] als eine arme Frau, die ihr zweijähriges Knäblein auf dem Rücken trug, über den Valtenberg wanderte. [...] Unweit des Berggipfels gewahrte sie plötzlich eine Öffnung in einem Felsen neben dem Wege. [...] Der Spalt bildete den Eingang zu einer Höhle. [...]
Die Wände glitzerten und funkelten wie buntes Feuer. Unten seitlich stand ein mächtig großes Gefäß, eine kupferne Braupfanne, gefüllt mit Goldstücken bis zum Rande. [...]
Zitternd vor Freude trat sie ein, setzte ihr Knäblein auf den Boden der Grotte nieder und raffte hastig so viele der blanken Goldstücke zusammen, wie ihre Schürze nur zu fassen vermochte.
Dann eilte sie hinaus und schüttete das Gold vor dem Felsen aus. Noch zwei weitere Male betrat sie die Höhle. [...] Als sie aber zum dritten Male die Grotte verließ, hörte sie hinter sich einen Donnerschlag.
Sich umblickend gewahrte sie, dass sich der Fels geschlossen hatte. Vergeblich suchte sie [...] nach einem Zugange. [...] Wehklagend dachte die Ärmste endlich an den Heimweg.
An jedem Feiertag pilgerte sie hinauf zum Valtenberge, um vielleicht doch ihr verlorenes Glück wiederzuerlangen. [...] Am nächsten Karfreitag [...] fand die Hoffende auch die Pforte zur Goldgrotte wieder geöffnet. [...]
Alles war noch wie vor einem Jahre. [...] Am Boden, wo sie es verlassen hatte, saß auch ihr holdes Knäblein – unversehrt und spielend mit einer lichten Engelsgestalt, welche der Eintretenden mit einem Lilienstengel schelmisch drohte und dann verschwand.
Die Mutter drückte den wiedergewonnenen Liebling an ihre Brust und stürmte mit ihm hinaus. Aus dem Knaben wurde ein stattlicher und frommer Jüngling. [...] Lebenslang aber erfüllte ihn eine unüberwindliche Abneigung gegen den Valtenberg. [...]
S. 13–16
Siebenjähriger Schlaf im Valtenberge
Ein Bauersmann [...] schleppte einst an Silvester mit seinem Pferde gefällte Baumstämme vom Valtenberge herab. Da hörte er ein seltsames Knistern und Prasseln und sah [...] einen weit geöffneten Spalt in dem Berg. [...] Es war der Goldkeller, der hier offen stand.
Der geizige Bauer [...] ging schnell hinein und füllte seine Taschen mit harten Talern. [...] Dann suchte er den Ausgang. Zurückkommend gewahrte er an dessen Stelle jedoch eine neue Höhle – und nach dieser wiederum eine andere.
So durchwanderte er ganze Reihen unterirdischer Kammern, ohne an die Oberwelt zu gelangen. Ein furchtbarer Krach machte ihm schließlich kund, dass sich der Eingangsspalt wieder geschlossen hatte.
Er mochte wohl einen ganzen Tag lang so umhergeirrt sein. [...] Vor Ermüdung schlief er schließlich ein. Da hörte er, wie im Traume, ein fernes Läuten. Er schlug die Augen auf. Vor ihm strahlte heller Tag. Er trat heraus aus der Höhle, an deren Öffnung er gelegen hatte.
Da befand er sich wieder im Walde an derselben Stelle, wo er Klötzer geschleppt hatte; aber sein Pferd und die Stämme waren verschwunden. Er kehrte nach dem Dorfe zurück.
Was musste er da auf seinem heimatlichen Gute erfahren? Sein Weib war gestorben, und der Sohn hatte die Wirtschaft übernommen. Letzterer wollte kaum seinen Augen trauen, als er den Vater wieder sah – denn, wie er erzählte, war der Alte vor sieben Jahren beim Klötzerschleppen auf dem Valtenberge spurlos verschwunden und seitdem verschollen gewesen. [...]
S. 21
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Name-Game & Menschenfischer
In Süd-Colorado gibt es den Animas River. In einem Umkreis von zehn Meilen – also zwischen den Städten Ouray und Durango – sind zwischen 1924 und 2003 fünf Kinder spurlos verschwunden. Interessant ist, wie der Fluss zu seinem Namen gekommen ist.
Im Jahr 1765 war der spanische Entdecker Juan Maria De Rivera mit seinen Leuten in der Region unterwegs und taufte das Gewässer auf den Namen „Río de las Ánimas“ – den Fluss der verlorenen Seelen. Dies hing damit zusammen, dass dort zahlreiche seiner Männer verschwanden.
David Paulides (den ich hier wohl nicht weiter vorstellen muss) wies in seinen Büchern darauf hin, dass es häufig einen Zusammenhang zwischen Orts- und Geländenamen und dem spurlosen Verschwinden von Menschen gibt.
Entweder stammen diese Namen von den Ureinwohnern und wurden von den Weißen übernommen, oder aber sie wurden von den ersten europäischen Siedlern entsprechend getauft!ʬ [Missing 411 – The Devil’s in the Detail, S. 47]
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„Being in the Fairies“
Update zu David Paulides: Bei einer Literaturrecherche stieß er auf das Buch The Good People: New Folklore Essays, das sich mit mythologischen Überlieferungen in Nordamerika beschäftigt (er zitiert dabei Inhalte aus Neufundland), in denen unter anderem Feen eine Rolle spielen. Verzeichnet sind auch Berichte von Entführungen, die eine paradoxe Ähnlichkeit zu modernen Reporten aufweisen.
Geschildert wird etwa, dass Beerenpflücker verschwanden und später wieder auftauchten. Wahlweise erinnerten sie sich an den Kontakt zu „Feen“, oder sie hatten einen Blackout und wussten nicht, was passiert war.
Dabei spielte auch plötzlicher Wetterwechsel eine Rolle – nach dem Verschwinden brachen Unwetter herein, welche die Suche erschwerten oder unmöglich machten.
Berichtet werden auch Ortsversetzungen: So wurden Personen an Orten vorgefunden, die sie aus eigener Kraft nicht hätten erreichen können – das gesamte Phänomen wurde früher mit being in the fairies bezeichnet.
Parallelen zu modernen Berichten zeigen sich auch darin, dass den Opfern oft Kleidungsstücke fehlten oder sie nackt aufgegriffen wurden – alles Aspekte, die wir in ähnlicher Form auch vom Abduction-Phänomen her kennen.
Interessant ist, was man damals unter „Fee“ verstand: Dabei soll es sich um gefallene Engel gehandelt haben, die sich im Untergrund ansiedelten – wer denkt da nicht an Dulce & Co.? Aus irgendwelchen Gründen hat man sie auf den Namen „Good People“ getauft …
Paulides wird mit schöner Regelmäßigkeit zu Radiosendungen eingeladen, in denen das Paranormale thematisiert wird. Unter anderem war er auch bei Whitley Strieber zu Gast, einem amerikanischen Autor und Abductee.
Dieser erzählte, dass er in Paulides’ Büchern einen Fall aus dem Bundesstaat New York gefunden habe, der sich in unmittelbarer Nähe zu einer eigenen Alienbegegnung ereignet hatte!
Der Unterschied sei wohl der, dass Strieber von den Aliens wieder entlassen worden sei, während es der anderen Person nicht so gut ergangen sei! (David Paulides, Missing 411 – The Devil's in the Detail, XVII)